Editorial Nr. 50

Liebe Leserin, lieber Leser,

stellen Sie sich einmal vor, an einem vereinbarten Tag wäre weltweit Zahltag. Jeder, sei er nun eine einzelne Person, ein Unternehmen oder ein Staat, müsste an diesem Zahltag alle seine Schulden, Verbindlichkeiten und Verpflichtungen begleichen. Was würde passieren? Die meisten Experten gehen bei diesem Szenario davon aus, dass unser Finanzsystem sofort kollabieren würde. Was folgt, ist bekannt: Der Zusammen­bruch der internationalen Finanzen würde sehr schnell in unserem wirklichen Leben ankommen, eine Rezession der Wirtschaft nach sich ziehen, Arbeitsplätze würden vernichtet und damit wären Existenzen und Lebensperspektiven von vielen Menschen bedroht. Was dieses Szenario so beklemmend erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass es schon – zumindest teilweise – in unserer Wirklichkeit angekommen ist. Den Konjunktiv können wir uns also getrost sparen. Und die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise ist noch längst nicht überstanden, auch wenn die Regierungen der führenden Industrienationen mit einer nie gekannten Neuverschuldung verzweifelt versuchen, zu retten, was zu retten ist!

Als Dozent für Religionspädagogik erteile ich an einer kaufmännischen Berufsschule Religionsunterricht, meist in Klassen der Abteilungen Einzelhandel und Fachoberschule. Seit Beginn der Krise steht das Nachdenken über Ethik und Werte in unserem Wirtschaftssystem ganz oben auf der Agenda. Nach Bezügen zur Lebenswelt meiner Schüler/innen brauche ich nicht lange zu suchen, geht es doch um ihre Perspektiven und beruflichen Chancen. Häufig beginne ich damit, dass ich zwei Begriffe einführe: Vertrauen und Verantwortung. Über die Bedeutung dieser Werte für alle zwischenmenschlichen Beziehungen sind sich die Schüler/innen schnell im Klaren, dann wird im Gespräch die Relevanz dieser Werte auch für andere Bereiche unserer Gesellschaft, zum Beispiel Politik und Wirtschaft, erarbeitet. Von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt, um danach zu fragen, was eigentlich in unserem Wirtschaftssystem falsch läuft, welche Regeln und Werte dort gelten sollten und was sie konkret verändern würden. In diesem Sinne hoffe ich im Namen der Redaktion, dass wir unter dem Motto Zahltag einige interessante Anregungen und Ideen zusammengestellt haben, wie die derzeitige Krise angemessen im Religionsunterricht thematisiert werden kann.

Zum Schluss zwei Anmerkungen in eigener Sache: Auch in Zeiten der Krise gibt es zuweilen etwas zu feiern! Als Redaktion sind wir stolz darauf, Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, mit diesem Heft die 50. Ausgabe des BRU-Magazins präsentieren zu können. Allerdings müssen wir Sie gleichzeitig auch darüber informieren, dass wir nach vielen Jahren konstanter Abo- und Heftpreise diese moderat anheben mussten. Dafür gibt es ab sofort die Möglichkeit eines einjährigen Schnupperabos, bei dem man zwei Hefte für den Preis von einem bestellen kann. Über Details informieren Sie sich bitte unter der Rubrik Impressum auf Seite 51.

Mit herzlichen Grüßen,
Ihr Björn Uwe Rahlwes