Editorial Nr. 56

Liebe Leserinnen und Leser,

nachdem der Bundestag im Mai dieses Jahres die Änderungen im Transplantationsgesetz verabschiedet hatte, passierten diese nun Mitte Juni auch den Bundesrat. Danach sollen alle Krankenversicherten ab dem 16. Lebensjahr – und dann regelmäßig – nach ihrer Bereitschaft zur Organspende befragt werden (sogenannte Entscheidungslösung). Obwohl dieser Beschluss am Ende einer jahrelangen Debatte um die Organspende steht, so wird dieses Thema vermutlich kaum aus der öffentlichen Diskussion verschwinden.

Dabei steht das Thema Organspende in gewisser Weise stellvertretend für den gesamten Bereich der Medizinethik, die ja durch ihre permanente Weiterentwicklung zu einer fortwährenden Debatte geradezu zwingt, frei nach dem Motto dieses Heftes: Bis hierher – und noch weiter? Im Titelthema stellt Reiner Anselm hierzu Fixpunkte auf, die für eine medizinethische Diskussion hilfreich sein können.

Bis hierher – und noch weiter? Viele Schülerinnen und Schüler stellen sich meist sehr rasch auf die Seite des medizinethischen Fortschritts. Dies kann man ihnen nicht übel nehmen – herrscht doch in der schuli- schen Bildung (und nicht nur dort) eine Betonung des naturwissenschaftlichen Denkens vor. Es ist geradezu eine klassische Aufgabe des BRU, dieses Denken kritisch zu hinterfragen, um wegzukommen von Sätzen wie »Das muss jede/r selbst entscheiden.« hin zu einer differenzierteren Sichtweise medizinethischen Handelns.

Eine einfache Aufgabe des Unterrichtenden ist dies sicherlich nicht. Mit den vorliegenden unterrichtspraktischen Beiträgen hoffen wir von der BRU- Redaktion, Sie in Ihrem Bemühen um eine »Perspektiverweiterung« bei den Schülerinnen und Schülern zu unterstützen – unter Berücksichtigung des schmalen Grats zwischen Nähe und Distanz bei den verschiedenen Themenstellungen (siehe dazu die separate Einleitung in die Unterrichtspraxis auf Seite 12). Der Blick auf die Berufsbilder im pflegerischen und medizinischen Bereich nimmt speziell die Berufswelt dieser Schülerinnen und Schüler des BRU auf.

Wir von der BRU-Redaktion haben uns nicht zum Ziel gesetzt, alle Bereiche der Medizinethik in diesem Heft abzudecken. Wir hoffen aber, dass Sie dazu angeregt werden, einzelne unterrichtspraktische Beiträge – abhängig von den Erfordernissen in Ihren Klassen – auf andere Fragestellungen zu übertragen. So wird es hoffentlich möglich sein, bis hierher zu denken – und noch etwas weiter.

Hierfür wünsche ich Ihnen viel Erfolg!
Mit herzlichem Gruß,

Klaus Kimmerle